Page 14 - 150 Jahre Sektion Darmstadt-Starkenburg Festschrift
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Was wissen wir aus der Sektion Darm- stadt über diesen Zeitraum, über die Einstellung des Sektionsvorstandes? Bereits am 25. August 1944 wurde das Archiv und die Bibliothek, die sich in dieser Zeit im Restaurant „Sitte“ befan- den, verbrannt. Am 11. September 1944, bekannt als Darmstädter Brand- nacht, wurde Darmstadts Innenstadt bei einem Luftangriff zu 80 Prozent zerstört, 12.300 Menschen kamen dabei ums Leben, ca. 70.000 wurden obdachlos. Dabei wurden zusätzlich nun auch alle Geschäftsbücher, die sich in der damaligen Geschäftsstelle in der Buchhandlung Schroth befanden, zer- stört. Wir können daher für diesen Ar- tikel nur Dokumente nutzen, die danach geschrieben wurden.
Ihr seht, die Quellenlage ist dürftig, Deshalb möchten wir an dieser Stelle unsere Sektionsmitglieder bitten: Soll- tet ihr Dokumente der beiden Darm- städter Alpenvereinssektionen aus der Zeit von vor, während und kurz nach dem Nationalsozialismus haben - bitte lasst sie uns zukommen. Natürlich wür- den wir diese kopieren, Originale müs- sen nicht bei uns verbleiben.
In der Festschrift zur 100-Jahrfeier der Sektion Darmstadt im Jahr 1970 schrieb der Sektionsvorsitzende Dipl. Ing. Manfred Haury:
„Im Jahr 1935 war die Mitgliederzahl auf 214 gesunken. Wenn es auch Dr. Tenners ge- schickter Vereinsführung bis zum Jahr 1942 gelang, den Geist unpolitischer Bergkamerad- schaft wachzuhalten, so stand doch das Sekti- onsleben unter dem Eindruck des Beitritts des Deutschen Alpenvereins zum Reichsbund für Leibesübungen als „Fachverband Bergsteigen“ und der neuen nach dem Führerprinzip er- lassenen Satzung.“
Erstaunlich, dass noch im Jahr 1970 der „Geist unpolitischer Bergkamerad- schaft“ als Tugend dargestellt wurde. Denn noch im gleichen Absatz schrieb Manfred Haury:
„Mit dem Zusammenbruch des Großdeutschen Reiches im Jahr 1945 hörte auch der Deutsche Alpenverein zu bestehen auf.“
Was ist Ursache, was ist Wirkung? Hat nicht der Alpenverein den Stein des Nationalsozialismus mit ins Rollen ge- bracht und politisch gehandelt, als er 1924 die Sektion Donauland aus- schloss? Handelte nicht politisch auch derjenige, der die Tatkraft Adolf Hitlers begrüßte oder derjenige, der weg- schaute, wenn sein Nachbar aufgrund einer anderen Religion oder politischen Meinung verhaftet wurde?
Zeitsprung: Am 14. Oktober 2015 kommt der Kasseler Regierungspräsi- dent Walter Lübcke ins Bürgerhaus Lohfelden bei Kassel, um vor ca. 800 Menschen über die Einrichtung einer provisorischen Flüchtlingsunterkunft zu informieren.
Im Publikum sitzen Stephan Ernst und Markus H., der die Veranstaltung mit dem Smartphone filmt. Der Film findet im Internet massenhafte Verbreitung und über Walter Lübcke ergießt sich eine Flut von Schmähungen und Dro- hungen aus rassistischen Gründen. Walter Lübcke gehört zu dieser Zeit zur politischen Prominenz der CDU in Hessen.
Doch weder von Seiten der CDU noch von anderer Seite ist energischer und deutlich hörbarer Einspruch zu verneh- men gegen die rechte Hetzkampagne gegen seine Person.
Noch nahezu 4 Jahre wird es dauern, bis Walter Lübcke von dem Neonazi Stephan Ernst erschossen wird. Rupert von Plottnitz (Hess. Umweltminister von 1994 bis 1995, hess. Minister der Justiz und für Europaangelegenheiten bis 1999) schließt seine Rezension zu dem Buch „Rechter Terror. Der Mord an Walter Lübcke und die Strategie der Gewalt“ mit den Worten:
„Der Hass (von Stephan Ernst) auf den von ihm ermordeten Regierungspräsidenten hatte einen langen Atem. Der Demokratie in der Bundes- republik sollte dies zur Warnung dienen.“
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