Page 118 - 150 Jahre Sektion Darmstadt-Starkenburg Festschrift
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Wettkampfklettern
  Hessische Bouldermeisterschaft Kassel, einer unserer ersten Wettkämpfe, nachdem wir zu alt für Kids Cups wur- den: Bevor wir losfahren, wünschen meine Eltern nicht viel Erfolg, sondern viel Spaß. Ohne Druck, aber mit einem erwartungsvollen Aufregungs-Krib- beln im Bauch, zeige ich meinem besten Freund meine Boulder und er mir seine.
Auf besondere Art ist Klettern auch ein Mannschaftssport, finde ich. Das Darmstädter Team, das sich zusammen aufwärmt, beratschlagt, gegenseitig die Startnummern aufklebt, sich anfeuert und nachher Pizza essen geht. Bei einem Wettkampf ohne meine Kletter- freunde zu starten ist wie Nudeln ohne Soße essen. Man wird vielleicht satt, aber wirklich toll ist es nicht.
Alle Versuche wurden gemacht, die Boulder waren cool und wir sind glück- lich. Auf die Idee, die Ergebnislisten an- zuschauen, kommen wir nicht. Demzufolge sind wir ziemlich über- rumpelt aber überglücklich, als mein bester Freund als hessischer Vizemeis-
ter und ich als hessische Meisterin auf das Treppchen gerufen werden. Spaß und Erfolg haben, das war wohl das simpelste aber beste Rezept, um weiter- hin gerne in Wettkämpfen zu starten.
Was oder was nicht diese Platzierungen letztendlich aussagen, bleibt aber immer die Frage. Sind die, die auf dem Treppchen stehen, die besten Klette- rer? Ein Freund von mir hat in Ulm bei einer deutschen Lead Meisterschaft die erste Exe („Expresschlinge“, siehe Klet- terglossar) nicht geklippt. Im Normal- fall effizientes, kraftsparendes Klettern, in diesem (Wettkampf-)Fall Grund dafür, dass er disqualifiziert wurde und einen der hinteren, statt wohlmöglich einen der vorderen Plätze belegte.
Lange traurig oder ärgerlich waren wir wegen solcher Erlebnisse nie, aus Ulm sind wir direkt weiter nach Kroatien in den Kletterurlaub gefahren. Als ein Deutschlandcup in Friedrichshafen für uns alle super schlecht lief, hat unse- Trainer Fabi uns in den Bus gepackt und wir sind zum Baden an den Boden- see gefahren.
Hannah Vogel bei den DM im Lead
in Darmstadt, 2018. Foto: Armin Schmidt
Natürlich habe ich auch Erwartungen an mich, die Wettkämpfe spornen mich an zu trainieren, über meine Grenzen hinauszugehen und alles aus mir raus- zuholen. Diese „Hauptsache-du-hast- Spaß-das-Ergebnis-ist-egal-Haltung“ ist wahrscheinlich auch Selbstschutz gegen Frust; außerdem zeigt sie, dass mein Ziel nicht ist, an die Spitze des Wettkampfkletterns zu kommen. Mir fehlt es an Ehrgeiz und Disziplin, um mal ein paar Monate nach Trainings- plan zu trainieren.
Oft suche ich nach Neuem wie Mehr- seillängen-Routen oder Eisklettern. Gerade fahre ich mit zwei Freunden im ausgebauten Campingbus durch Frank- reich und lerne von den Franzosen am Fels, was sie zu Exe, Überhang und Schulterzug sagen.
Phasenweise bereichert es mich, mich reinzuhängen in den Wettkampfsport, zu versuchen mitzuhalten und zu spü- ren, dass ich Fortschritte mache, wenn ich mich anstrenge. Während der Schulzeit war es ein gutes Ventil, um Stress abzulassen. Ich konnte mich auf meine Leidenschaft konzentrieren, um Druck und Erwartungen in der Schule zu kompensieren.
Letztendlich aber versuche ich, mich locker zu machen und das zu haben, was meine Eltern mir immer wün- schen: viel Spaß!
Hannah, 19 Jahre
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