Page 64 - 150 Jahre Sektion Darmstadt-Starkenburg Festschrift
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  Paul Goertz in Annot, Frankreich.
Foto: Doris Ihlefeld
Als ich von Vorstandsseite gebeten wurde, etwas zum Thema Ehrenamt zu schreiben, schien mir das erst einmal recht schlüssig. Als ehemaliges Vor- standsmitglied und langjähriger Ausbil- dungsreferent war Personalakquise eine meiner wichtigsten Aufgaben.
Neue Übungsleiter zu gewinnen oder später neue Vorstandsmitglieder - wie viele Sektionsmitglieder habe ich ange- sprochen?
Ich hatte gute Argumente, und die kamen mir von Herzen: Du lernst nette Leute kennen, Du kannst deine Kom- petenzen für dein Hobby, den Berg- sport einbringen, Du kannst deine persönlichen Ideen umsetzen, Du kannst dein Wissen und deine Erfah- rung an die nächste oder übernächste Generation von Bergsteigern weiterge- ben, es macht Spaß, sich in einer soli- darischen Gemeinschaft zu bewegen. Die Argumente stimmen für mich, ich habe sie selbst er- und gelebt.
Aber es gibt für mich auch eine zweite Seite.
Als Vorstandsmitglied musste ich erle- ben, wie mühsam es war, sich gegen die Angriffe der kommerziellen Mitbewer- ber und ihrer Standesvertreter zu weh- ren. Denn überall, wo ein Verein ( oder ein kommunaler Betrieb, oder Eltern einen Schulkiosk) wirtschaftlich erfolg- reich betreiben, da treten die Neider auf den Plan und fordern ein: Das ist doch unser Kuchen!
Die Politik wiederum lobt sie zwar gerne, die ehrenamtliche Arbeit und die ehrenamtlichen Arbeiter*innen, stellt sich aber den Lobbyisten von Unter- nehmern und IHK nicht gerne entge- gen.
Alternativen zu privatwirtschaftlich ge- winnorientiertem Geschäftsbetrieb sind nicht gerne gesehen in diesem Lande.
Rückblickend stelle ich fest, dass Ehren- amt für mich in unserer Gesellschaft notwendig ist, weil zu viele gesell- schaftliche Bereiche sonst nicht funk- tionieren würden. Aber ich bin auch der Auffassung, dass das Ehrenamt ver- schleiern kann, wo in der Gesellschaft Missstände herrschen und das viele Aufgaben, die heute für einen Almosen von Ehrenamtler*innen ausgeführt werden, in angemessen bezahlte Arbeit in einem Non-Profit Unternehmen umgewandelt werden sollten, wenn die Arbeit sich als gesellschaftlich notwen- dig herausgestellt hat.
Wir brauchen sie, die Vereine, aber auch die Kommunalbetriebe und die Eltern, die den Schulkiosk mit gesunder Ernährung betreiben.
Paul Goertz
Ehrenamt – zwei Seiten einer Medaille
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