Page 111 - 150 Jahre Sektion Darmstadt-Starkenburg Festschrift
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Ein Artikel mit 2 „Ich – Perspektiven“. generiert aus dem bestehenden Artikel von Jo Mergel zum 25-Jährigen Beste- hen der Gruppe (schwarze Schrift) und den Gedanken von Joachim Schneider (blaue Schrift).
Es war im September 1989, als ich bei einer Wanderwoche an der Sellagruppe von unseren Tischnachbarn im Refugio dazu überredet wurde, uns ein Kletter- steiggeschirr zu kaufen und auf den Sass Rigais zu klettern. Ohne jegliche Klet- terausbildung!
Es ging alles gut! Aber das Klettervirus hatte zugebissen. Zurück in Darmstadt, meldeten wir uns sofort im Alpenver- ein an und absolvierten den Ausbil- dungskurs. Beim praktischen Teil am Hohenstein im Frühjahr 1990 mit Klaus-Dieter Weber und Uwe Bender war dann klar: Das wird mein Hobby! Uwe bot im Sommer einige Wochen- endtermine an; am Hohenstein, Mor- genbachtal und Rhön.
Aber viel zu wenig Termine. Bei diesen Touren 1990 und 1991 lernte ich dann Angelika Lutz, Antje Bertuleit und ei- nige andere Felsneulinge kennen. Wir versuchten dann, Kontakt zu den Klet- terprofis der Sektion zu bekommen, scheiterten aber kläglich.
Diese Profis, alle so um die 20 bis 25 Jahre jung, hatten keine Lust, sich mit uns Anfängern im 4. Grad abzugeben. Ich war damals als Kletterneuling 44 Jahre alt, die anderen meist Mitte 30. Im August 1991 fuhr ich dann mit einem professionellen Anbieter aus dem Ruhrgebiet nach Orpierre und schaffte dort erstmals 5er und sogar 6-. Ostern 1992 fuhr ich mit der Gruppe um Eric Barnert nach Finale Ligure.
Im Sommer 92 sprachen wir Anfänger dann den Sektionsvorstand an, um eine neue Klettergruppe für uns auf die Beine zu stellen und hofften, zu diesen Wochenendfahrten von Übungsleitern begleitet und betreut zu werden. Klappte nicht!
Keiner der „Profis“ wollte sich mit den halblahmen Omas und Opas abgeben. Also beschlossen wir, eine selbständige Klettergruppe zu gründen.
Und nach einigem Hickhack, ob es denn erlaubt sei, dass wir ohne Übungsleiter als Sektionsgruppe an die Felsen dürfen, formulierten wir mit Hilfe der Münchener Zentrale den Spruch, der heute auch bei vielen ande- ren Gruppen steht: Klettern auf eigene Verantwortung, jeder ist für sein Han- deln selbst verantwortlich, keine Haf- tung durch die Sektion. So wurden wir dann schließlich mit „Wenn und Aber“ akzeptiert.
Und für 1993 wurden wir offizielle Sek- tionsgruppe und planten unser erstes Jahresprogramm. Wir nannten uns entsprechend der Richtung unserer Be- wegung, also „Vertikal“, und als erste Gruppenleiter wurden Angelika Lutz, Antje Bertuleit und ich gewählt.
Damit war Vertikal Pionier für andere Gruppen, die heute im Gegensatz zu den von Fachübungsleitern/Trainern geleiteten Touren und Kursen ihre Ak- tivitäten zwar unter dem Dach der Sek- tion durchführen, aber in eigener Verantwortung. Der Organisator einer Unternehmung ist tatsächlich nur genau das. Ziel finden, Unterkunft (meist Campingplatz) reservieren, Teil- nehmerliste führen und Fahrgemein- schaften koordinieren sind die Aufgaben.
Unsere erste große Pfingstfahrt 1993 ging nach Orpierre in Südfrankreich.
Von Himmelfahrt bis Pfingsten. Dass damals schon in Orpierre um die 15 Leute dabei waren, zeigt, dass die Grup- pengründung berechtigt war. Und hier wurde dann das Motto unserer Süd- frankreichfahrten kreiert: KKK. Das heißt: Klettern, Küche, und Kultur.
Klettern ist ja klar. Küche bedeutete, dass jeden Tag zwei oder drei Leute für das große Küchenzelt zuständig waren. Baguettes holen fürs Frühstück, Tisch- decken und Kaffeekochen. Abends dann meist Nudeln kochen, Pasta rüh- ren und Weinflaschen kühlstellen. Und abwaschen natürlich und Lebensmittel einkaufen.
Der Grad der Organisation hat aller- dings deutlich nachgelassen – Verfall der Sitten und der Moral! Wenn nicht einfach Kleingruppen auf dem Cam- pingplatz kochen, wird die regionale Küche genossen: Schäufele in Franken, Flammkuchen in der Pfalz, ...
Das 3. K steht für Kultur. Nach 3 Tagen am Fels sollte ein Regenerationstag die Kletteroldies mit einem kulturellen Ausflug wieder aufbauen. Avignon, Arles, Aix oder Orange wurden besich- tigt und der lokalen Kochkunst gehul- digt. Auch hier haben wir sozusagen nachgelassen: Ohne Zwang durch schlechtes Wetter verbringen wir kaum noch Tage abseits vom Fels.
Für jeden Monat war ein Kletterwo- chenende geplant: Hohenstein, Mor- genbachtal, Rhön, Vogesen, Donautal, Thüringen, Kirn. Wenn das Wetter mitspielte, ging es meist mit mehreren Autos, Zelt und Seil zum Zielfelsen.
1994 ging die Pfingstfahrt nach Orgon, 1995 an die Chassezac, 1996 Finale Li- gure, 1997 wieder Chassezac, 1998 Gar- dasee, 1999 wieder Orpierre und Gardasee, 2000 Orgon, 2001 Dentelles de Montmirail, 2003 Les Alpilles, usw.
Klettergruppe “Vertikal”
  Die Klettergruppe Vertikal in den Dolomiten. Foto: Heiko Bogun
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