MOUNTAINBIKEN im Odenwald. (Fotos: Wolf)
„Dieses Jahr pack’ ich’s und
mach’ mal was mit dem DAV“: so lautete meine
Devise am Jahresanfang 2001. Als
Gelegenheits-Mountainbiker sagte mir dann auch die
Odenwald-Tour aus dem Programm-Heftchen spontan
zu. Ein Anruf bei Teamchef Albrecht Krapp macht
die Sache perfekt. Obwohl, die „Zulassungsprüfung“
- an einem Sonntag drei Wochen vor der
eigentlichen Tour - stand mir ja noch bevor!
So war ich recht gespannt, denn die
Beschreibung „Interesse und Fähigkeit zu
sportlichen MTB-Touren“, „Streckenlänge um die 50
km“ schienen eigentlich wie gemacht für mich.
Leider hatte ich einem kleinen Hinweis zu wenig
Aufmerksamkeit geschenkt: „Zügiges Vorwärtskommen
bergauf und bergab“.
Das nahm Albrecht dann aber auch wörtlich! War
man bisher schon einigermaßen zufrieden mit sich,
den Frankenstein auf geschotterten Waldwegen
hochzukommen, so wurde einem jetzt die wahre
Zweckbestimmung des rollenden Grobstollers
demonstriert: So genannte Single Trails, möglichst
steil, mit möglichst morastigem Untergrund –
that’s it. „Alles andere kannst Du auch mit Deinem
Tourenrad fahren“. So viele
Mittelgebirgs-Höhenmeter hatte mein Bike noch nie
an einem Tag gesehen.
Die Mitfahrer Vera und
Jürgen zeigten routinierte Gelassenheit – und ich
legte mich mächtig ins Zeug, hatte ich doch
irgendwie Blut geleckt und wollte nun unbedingt
auf der 4-Tages-Tour dabei sein. Und Meister
Albrecht – ein Netter , wie ich an diesem Sonntag
erfahren durfte – erteilte mir dann auch die
Absolution. Bingo!
Los ging’s am 28. April: „Jetzt ist wirklich
Schluss mit lustig“ dachte ich mir, als Albrecht
um Punkt neun Uhr bei strömendem Regen um die Ecke
bog, um mich abzuholen. Der mitleidige Blick
meiner Frau erschien mir ganz plötzlich als
hämisches Grinsen. „Da musst Du jetzt durch“ hieß
es nur noch.
Zehn Minuten später saßen Albrecht und ich in
der Straßenbahn nach Alsbach. Die 400 m auf
regennassem Feldweg von der Endhaltestelle bis zu
Veras Haus reichten dann leider doch nicht aus, um
bei unserer Mitfahrerin als gezeichnete Kämpfer
Respekt für die erste Teiletappe einzuheimsen –
kurz: Unsere tschechische pace-makerin
durchschaute uns mit einem Blick!
Jedenfalls hatte der Regen nun aufgehört,
unsere Klein-Gruppe war komplett und es konnte
wirklich losgehen. Albrecht hatte uns zuvor
generalstabsmäßig eine ultradetaillierte
Streckenbeschreibung zugemailt, mit allem
erdenklichen Schnick-Schnack: Höhendifferenzen,
Wegbeschaffenheiten, Besonderheiten am Wegrand,
u.v.m.
Also, jetzt erst mal bergauf (was sonst) in
Alsbach, vorbei am Auerbacher Schloß, runter nach
Auerbach, hoch ins Fürstenlager, krach: Albrecht
reißt die Kette. „Wer solche Touren austüfteln
kann, repariert zack,zack auch seine Kette“,
dachte ich mir. Und tatsächlich: Neun Minuten
später waren wir on the road again.
Weiter nach Zell, hoch nach Unterhambach,
weiter bergauf zur Starkenburg.
Stark forderte gerade dieser letzte Anstieg
unsere Oberschenkel, aber: welcher Segen, Albrecht
befahl Pause. Und interessant, was da jeder so
auspackte: Vera futterte unentwegt Unansehnliches:
Getrocknete Bananen, wie Sie uns später erklärte.
Albrecht hatte bei ALDI das Hanuta-Regal geräumt -
nur ich hatte Müsliriegel dabei. Na ja,
wahrscheinlich guck’ ich zuviel Werbefernsehen...
Weiter: Runter nach Hepprum, rauf auf die
Juhöhe (ächz!) übers Große Köpfchen und den
Waldners Turm, Abfahrt ins liebliche Weinheim.
Meine „Kaffeepausen-Anfrage“ wurde erst mal
ignoriert,- konnte mich aber nach Passieren der
Ruine Windeck erfolgreich durchsetzen: Kaffeepause
auf der Wachenburg. Apropos Einkehren: Wurde bis
zu diesem Zeitpunkt eher stiefmütterlich von
meinen Mitfahrern behandelt – was sich ändern
sollte!!
Über den Schubertstein und Buchklingen ging’s
nach Unterflockenbach und - mit einem Jubilieren
auf den Lippen - knapp einen Kilometer die Straße
(ich liebe Asphalt!) hoch nach Trösel, dem
Etappenziel. Unsere Tagesbilanz: Dreckig wie die
Ober-Wutze, 58 km (zügiges Vorwärtskommen bergauf
und bergab!), 05:30 Stunden reine Fahrzeit.
erbleibende Tages-Ziele:
1. Duschen
2.
Sattwerden
3. Schlafen (Albrecht & Stefan),
bzw. 1. Radputzen
2. Duschen
3.
Sattwerden
4. Schlafen (Vera).
Am nächsten Tag war es
zumindest schon einmal trocken und so starteten
wir – zuversichtlich und erwartungsfroh – von
Unterflockenbach über Steinklingen nach
Lampenheim. Von Heiligkreuzsteinach ging’s
hinunter ins malerisch gelegene Heddesbach.
Albrechts fahrtechnische Hinweise („Stellt jetzt
endlich Eure Sättel runter!“) – lang ignoriert -
wurden irgendwann sogar von Vera erhört. Der
Effekt war verblüffend: Man kam jetzt sicher
selbst steilste Abfahrten hinunter. Der zweite
knackige Anstieg des Tages (Heddesbach 190 m ü.
N.N. nach Rothenberg 470 m ü. N.N.) erforderte
bereits die brutalstmögliche Mobilisierung aller
Kraftreserven. Die Belohnung: Ein toller Rundblick
und – Sonne!
Jetzt ging’s geschwind hinunter ins
sonnenbeschienene, badische Eberbach und – weil
ein Stück Schwarzwälder-Kirsch im Café Neckarblick
ja verdient werden will, gell Albrecht – gleich
wieder heftig bergauf. Aber dann halt der Blick
auf die Neckarschleife bei Eberbach ... schöööön!
Anschließend ausplenkeln bis Zwingenberg am
Neckar. Geduckt am Hang gelegen, unterhalb der
imposanten Burg. Vera putzt wieder Rad!
Der nächste Morgen begann spektakulär:
Tragepassage durch die pittoreske, an
wild-romantischer Schönheit kaum zu überbietende
Wolfsschlucht. Schmalste, steile Pfade durch Seile
gesichert, mehrfache Bachüberquerungen und immer
das Bike geschultert.
Jederzeit wieder! Raus aus der Schlucht und
dann über Unter-Dielbach ein – ausnahmsweise –
ziviler Anstieg zum Katzenbuckel, dem Höchsten im
Odenwald (626 m ü. N.N.).
Waldkatzenbach, Strümpfelbrunn, Mülben,
Reisenbach, Schloßau. Und erneut konnte ich meine
Mitfahrer zu einer Rast mit Rühreier & Speck
bei der netten Bauernhof-Wirtin ermuntern. Mit
vollem Magen ging’s weiter, immer auf römischen
Spuren, dem „L“ nach (L = Limes).
Ein schmaler Pfad schlängelt sich entlang des
mutmaßlichen Verlaufes, stets auf dem Höhenrücken,
unterbrochen von teilweise rekonstruierten
Wachtürmen, römischen Badeanlagen, Kleinkastellen.
Eines der spannendsten, informativsten und –
aufgrund der ergiebigen Regenfälle der letzten
neun Monate – schlammigsten Teilstücke unserer
Tour. Vera bemerkte hier irgendwann, ich sähe aus
wie Pippi Langstrumpf. Meinen fragenden Blick (ich
habe weder Zöpfe noch rote Haare) beantwortete Sie
prompt: „Ssoommäärsprossen von Dräck“.
Irgendwann war’s dann schnell 4 Uhr nachmittags
und der Limes hatte uns doch zu lang in Beschlag
genommen. Eine demokratische Abstimmung ergab, die
letzten 25 km auf Teerstraßen über Würzberg und
Vielbrunn zum Zielort Rai-Breitenbach zu heizen.
Aber auch der Tag hatte es in sich: 72 km, von
09:15 bis 18:30 Uhr unterwegs. Strahlende Sonne,
kurzhosig gefahren.
Tag 4 würde die Entscheidung bringen: Schafft
Albrecht’s antiquiertes Mountainbike noch den
Heimweg? Um es vorwegzunehmen: Ja. Trotz 3
gebrochener und unterwegs nicht erneuerter
Speichen! So fuhren wir über Rosenbach, vorbei an
der Burg Breuberg zur schönen Veste Otzberg, wo
sich uns ein fantastischer Rundblick darbot.
Der Blick in die nähere Umgebung des Burgfrieds
ergab jedoch mindestens genauso erfeuliche
Ausblicke: Die Burgschänke im Innenhof. Kurze Zeit
später - nach resigniertem Kopfschütteln seitens
Vera und Albert - bekam ich dann doch noch meine
eingeforderten „Nürnberger Würstl mit Sauerkraut“.
Energiegeladen packten wir dann den Endspurt:
Nieder-Klingen, Ueberau, Reinheim, Georgenhausen,
Zeilhard – alles ohne nennenswerte Vorfälle. Der
Rossberg aktivierte die Schweißdrüsen ein
allerletztes Mal, bevor wir’s im waldigen
Darmstädter Westen – zusammen mit unzähligen 1.
Mai Ausflüglern – ausrollen ließen und am Vivarium
unsere 250 km- Tour beendeten.
Mein Fazit: Der Odenwald hat’s in sich.
Fantastische Natureindrücke, rustikal-gemütliche
Gastlichkeit, steile Anstiege bis zum Erbrechen,
danger-freak Abfahrten (nur 15 km unserer Tour
verliefen auf ebenem Terrain!). Ein echtes
Erlebnis - wir kommen wieder!
Veras und mein Dank geht an Albrecht Krapp für
die super Organisation, die umsichtige Führung und
seine tolle Sportskameradschaft!